Sprachaufenthalte

In diesem Abschnitt wird beschrieben, welchen Beitrag ein Fremdsprachenaufenthalt zu einem sprachenübergreifenden Curriculum leisten kann.

Ein Aufenthalt in einem zielsprachlichen Gebiet, beispielsweise in Form eines Sprachaufenthalts, eines Sprachaustausches, einer Fremdsprachenprachassistenz, usw. wird gemeinhin als wirkungsvolles Mittel angesehen, um sowohl die Sprachkompetenz in der Zielsprache als auch die interkulturelle Kompetenz zu steigern. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Mobilitäts- und Austauscherfahrungen einen festen Bestandteil in vielen Ausbildungsgängen von zukünftigen Sprachenlehrpersonen bilden. Nichtsdestotrotz sind diese inhaltlich meist nicht durch konkrete Bezüge zu anderen Veranstaltungen in die Ausbildungsgänge integriert. Die Studierenden organisieren ihr Austauschsemester, ihren Fremdsprachenaufenthalt oder ihre Sprachassistenz, absolvieren diesen und kehren dann zurück. Dabei wird angenommen, dass sie bei Ihrer Rückkehr über höhere Sprachkompetenzen und interkulturelle Kompetenzen verfügen. Während dies sicher für eine grosse Zahl von Studierenden zutreffen mag, ist es mitnichten eine Selbstverständlichkeit. Bisherige Forschung deutet darauf hin, dass ein Mobilitätsaufenthalt tatsächlich das Potential hat, um sowohl die sprachlichen als auch interkulturellen Fertigkeiten der Lernenden zu optimieren (Anderson & Lawton 2011; Engle & Engle 2004; Heinzmann et al. 2014; 2015; Kinginger 2013; Magnan & Back 2007; Medina-Lopez-Portillo 2004; Williams 2005), sie weist aber gleichzeitig auch darauf hin, dass es bedeutende individuelle Unterschiede hinsichtlich des Lernzuwachses gibt. Manche Studierende profitieren enorm, während andere sich kaum weiterentwickeln (Kinginger 2013; Magnan & Back 2007).

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb eine Austauscherfahrung nicht für alle den gewünschten Erfolg hinsichtlich sprachlicher oder interkultureller Entwicklung bringt. Einerseits garantiert ein Aufenthalt im Zielsprachengebiet keineswegs eine Integration in die zielsprachliche Gesellschaft. Oft bleiben soziale Kontakte sowie regelmässige und bedeutungsvolle Interaktion mit Zielsprachensprechern weitgehend aus, was sowohl das sprachliche als auch das interkulturelle Lernpotential stark einschränkt (De Federico de la Rua 2008; Ehrenreich 2008; Kinginger 2013) und von den Studierenden als enttäuschend und frustrierend empfunden wird (siehe Barraja-Rohan 2013; Ehrenreich 2013, Magnan & Back 2007). Andererseits wird der Lernzuwachs auch massgeblich durch die Ausgangsvoraussetzungen der Lernenden mitbeeinflusst (Heinzmann et al. 2014; 2015). Wer mit guten motivationalen oder interkulturellen Voraussetzungen startet, kommt auch mit besseren Ergebnissen zurück.

All dies spricht dafür, dass ein Mobilitätsaufenthalt nicht einfach als Selbstläufer, losgelöst von der restlichen Ausbildung, eingesetzt werden sollte, sondern sorgfältig vorbereitet, begleitet und auch nachbereitet werden sollte. Seit 2016 läuft an der Universität Bern ein Mentoringprogramm für interkulturelles Lernen (MILSA) während des studentischen Auslandaufenthaltes, welches genau diesen Zweck verfolgt (ein Bsp. findet sich online unter http://www.milsa.unibe.ch/ [28.01.2017]). Durch eine fachliche Vorbereitung auf den Mobilitätsaufenthalt, Begleitung der Studierenden während ihres Mobilitätsaufenthalts, und die Aufarbeitung von Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen sowie neu Gelerntem nach ihrer Rückkehr kann das Lernpotential für alle gesteigert werden. Dies bedeutet, dass der Mobilitätsaufenthalt stärker als bis anhin in die Ausbildung der angehenden Lehrpersonen integriert und ganz im Sinne einer horizontalen didaktischen Kohärenz mit der sprachlichen, fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen sowie auch berufspraktischen Ausbildung verknüpft werden soll. Materialien für eine solche durchgehende Begleitung des Mobilitätsaufenthalts finden sich beispielsweise in PluriMobil (Egli Cuenat et al. 2015). Die Publikation des Europäischen Fremdsprachenzentrums (EFSZ) bietet Materialien für die Vorbereitung (‚bevor’), die Begleitung (‚während’) und Nachbereitung (‚danach’) von Mobilitätserfahrungen für verschiedene Zielstufen, auf der Basis bestehender Instrumente wie des Europäische Sprachenportfolios (ESP; Council of Europe 2001), der Autobiographie interkultureller Begegnungen (Autobiography for Intercultural Encounters, AIE) (Council of Europe 2009), des Referenzrahmens für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA/CARP; Candelier et al. 2007, 2012) oder Mirrors and Windows (Council of Europe 2003). Im Folgenden soll nun etwas genauer erläutert werden, wie eine solche Einbindung des Mobilitätsaufenthalts in die Ausbildung konkreter aussehen könnte (siehe auch Egli Cuenat, Bleichenbacher & Frehner 2016).