Tipps für die Stimme
ÔÇó viel trinken
ÔÇó Alkohol und Nikotin meiden
ÔÇó normales Sprechtempo
ÔÇó kein Räuspern und Husten
ÔÇó reduziertes Sprechen bei Lärm
ÔÇó Sprechpausen machen
ÔÇó Erholungszeit
Wer einmal stockheiser war oder sich einer Operation an den Stimmbändern unterziehen musste, hat es bitter erfahren: Ohne die Stimme geht fast nichts mehr. Sie ist unser wichtigstes Kommunikationsorgan, macht unsere Persönlichkeit aus. Am Telefon machen wir uns ein erstes Bild einer fremden Person und entscheiden intuitiv: Die oder der ist aber sympathisch – oder eben gar nicht. Genauso, wenn uns ein unbekannter Mensch vorgestellt wird und wir ihn ansprechend finden – bis er den Mund aufmacht. Für gewisse Berufsgruppen ist die Stimme gar ihr Kapital: Sänger, Schauspieler oder die Stimmen an öffentlichen Orten wie Zügen, Bahnhöfen oder Flughäfen, «Voices» genannt. Sie haben eine angenehme Stimmlage, artikulieren verständlich und können sogar erotisierend wirken. Jedenfalls fand ein Kollege die «Stimme» des Airports von Rio de Janeiro so hinreissend, dass er mit ihr ein Rendevous vereinbaren wollte.
Mehr Beachtung schenken
Apropos Brasilien: Dort wurde am 16. April 1999 in Porto Alegre der World Voice Day gegründet, interessierte Länder schlossen sich der Sensibilisierungskampagne an, und seit 2004 ist die Schweiz dabei. «Unsere Stimme wird zunehmend wichtiger – in der Schule, bei der Arbeit und in unserem sozialen Umfeld», sagten sich damals einige Brasilianer, die beruf- lich mit der Stimme zu tun hatten. «Doch statt unserem einmaligen Instrument Sorge zu tragen, schaden wir ihr, indem wir rauchen, schreien, zu viel Alkohol trinken oder sie nicht richtig einsetzen», heisst es auf ihrer Homepage. Ihr Ziel ist also Aufklärung und Prävention. Unsere Stimme spielt eine zentrale Rolle in unserer Kommunikations- und Informationsgesellschaft, kein Vergleich zur einstigen Produktionsgesellschaft.
«In fast 90 Prozent aller Berufe sind wir auf ein gutes Funktionieren der Stimme angewiesen», wird etwa ein Arzt der Klinischen Abteilung für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen der Universität Innsbruck zitiert. Der Vorgang der Stimmerzeugung ist höchst komplex: Über 100 Muskelgruppen sind daran beteiligt, und die Voraussetzung dafür sind nicht nur ein gesundes Stimmorgan, sondern auch ein normales Hörvermögen und ein intaktes Sprachverständnis. Die Österreicher stellen seit einigen Jahren einen steten Anstieg an Kommunikationsstörungen fest. Erhöhte Lärm- und Schadstoffbelastungen in Umwelt und am Arbeitsplatz sowie noch nicht abschätzbare gesundheitliche Negativfolgen des technischen Fortschritts seien für die Zunahme an Stimm-, Sprech-, Sprach- und Hörstörungen verantwortlich, heisst es.
Stetiger Lärmpegel
Dass ausgerechnet die Brasilianer die Initianten des Welttages sind, wundert Dr. Michael Hoffmann nicht. «Im Süden ist der Lärmpegel meist höher als bei uns. Das Radio dröhnt, das TV läuft den ganzen Tag, und die Familie muss sozusagen mit erheblichem Stimmeinsatz sprechen, um sich überhaupt Gehör zu verschaffen», sagt der leitende Arzt für Gehör-, Sprach- und Stimmheilkunde der HNO-Klinik am Kantonsspital St. Gallen. Dass hierzulande eine bedeutende Zunahme an Störungen der Stimmorgane festzustellen ist, verneint er. In der Schweiz gibt es auch nur gerade ein Dutzend Phoniater – zusätzlich auf Stimme und Kehlkopf spezialisierte Hals-, Nasen- und Ohrenfachleute (HNO).
Heiserkeit – was nun?
Fachleute unterscheiden organische und funktionelle Störungen der Stimme. Ein Patient ist beispielsweise seit Wochen heiser. Sein Hausarzt untersucht seinen Rachen und macht eventuell eine Spiegelung der Stimmbänder. Falls die Heiserkeit durch eine langwierige Erkältung verursacht wurde, verschreibt er Medikamente. Unter Umständen überweist er ihn jedoch an einen Spezialisten. Bei der Untersuchung will Dr. Hoffmann im Beisein einer Logopädin zuerst die Vorgeschichte der Beschwerden wissen: «Wann ist die Heiserkeit zum ersten Mal aufgetreten? Rauchen Sie? Was tun Sie beruflich?» Arzt und Logopädin beobachten den Patienten beim Erzählen genau und stellen fest, wie der Patient seine Stimme braucht, in welcher Haltung er berichtet: entspannt oder eher gepresst mit Stimmeinsatz, so dass die Halsschlagadern hervortreten? Dann führt der Arzt ein Endoskop ein und macht eine DVD-Aufnahme. «Eine lang andauernde Heiserkeit kann durchaus ein Alarmzeichen für eine organische Ursache sein, etwa einen Kehlkopftumor, der operativ entfernt werden muss. Aber auch Heuschnupfen kann die Stimme angreifen, selten sind hormonelle Störungen. Stellt sich eine funktionelle Störung heraus – dabei ist die Funktion des Organs in Mitleidenschaft gezogen -, wird der Patient an unsere Logopädinnen überwiesen», sagt er. Probleme mit der Stimme sind übrigens nicht altersabhängig.
Lehrer, Manager, Mütter
Zu Marlise Müller-Baumberger, Leiterin der Logopädie am Kantonsspital St. Gallen, und ihren drei Kolleginnen kommen sowohl Lehrer, Kindergärtnerinnen und Manager als auch Mütter kleiner Kinder. «Es ist bedauerlich, dass gerade heutzutage Lehrer in ihrer Ausbildung keine Sprechtechnik erlernen», sind sich Phoniater und Logopädin einig. Nun checken Marlise Müller-Baumberger und ihre Kolleginnen ein ganzes Feld von Signalen ab, die der Patient, die Patientin aussendet:
«Die Atmung, die Stimmgebung, der Klang, der Einsatz der Stimme, die Körperspannung – wenn wir zusammengesunken sitzen, behindern wir Atmung und Stimme. Ausschlaggebend ist auch die Sprechsituation – oftmals verschlägt es uns die Stimme auch vor Stress oder Nervosität, etwa bei einem wichtigen Vortrag», sagt sie. Manchmal zeigt eine logopädische Therapie keinen Erfolg, etwa wenn so genannte Stimmband-Knötchen operativ entfernt werden können. Im Laufe der Therapie lernen die Patienten, in Stimmübungen und in der Bewegung ihre Stimme angemessen einzusetzen und richtig zu atmen. Sie wissen um den richtigen Stimmeinsatz und die schonende Art, Töne länger auszuhalten. Dabei müssen Atem- und Sprechübungen auch zu Hause trainiert werden. Marlise Müller-Baumberger wird immer wieder gefragt, wie man seine Stimme pflegen kann. Ihre Ratschläge:
ÔÇó eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (mindestens 2 Liter pro Tag), um die Schleimhäute feucht zu halten
ÔÇó Alkohol und Nikotin meiden (letzteres auch passiv)
ÔÇó ein gesundes Wohnklima, wo ausreichend gelüftet wird und die Luftfeuchtigkeit stimmt
ÔÇó ungewohnte scharfe Speisen meiden, wenn man anfällig ist
ÔÇó eine ausgewogene Atmung (Brust- und Bauchatmung)
ÔÇó ein normales Sprechtempo
ÔÇó reduziertes Sprechen in lärm-intensiver Umgebung
ÔÇó gewohnheitsmässiges Räuspern und Husten vermeiden, bei Heiserkeit lieber die Stimme schonen als angestrengt flüstern
ÔÇó Sprechpausen machen (Vortrag), sich kurz zur Ruhe zwingen, tief Luft holen, um den Klangkörper zu vergrössern
ÔÇó nach einer starken Belastung der Stimme Zeit geben, sich zu erholen.
Quelle: www.tagblatt.ch (Sybil Jacoby)
Stimm-Management für Lehrpersonen