Didaktik von Hans Aebli

Hans Aebli

 Zur Didaktik von Hans Aebli (zitiert nach Rudolf Messner in: schweizer schule 10/91)

 „Die ‚Zwölf Grundformen des Lehrens‘, so darf gesagt werden, bilden den eigentlichen Mittelpunkt von Aeblis didaktischem Denken. Aebli gewinnt die ‚Grundformen‘ aus der Betrachtung von Unterricht. Charakteristisch ist, dass er dabei nicht etwa vom curricularen Ziel- und Inhaltsgefüge schulischen Lernens ausgeht oder von dessen zu gestaltenden organisatorischen Einheiten. Aebli konzentriert sich auf das Wesentliche des Geschehens selbst. Es ist dies für ihn der Sachverhalt, dass Unterricht, der diesen Namen verdient, in seinem Kern eine anspruchsvolle Form der Vermittlung geistigen Lebens ist oder wenn man will, der lernfördernden menschlichen Begegnung anhand von Inhalten. Jeder Lehrende greift aus Aeblis Sicht mit jedem gelingenden oder misslingenden Unterrichtsakt in die Entwicklung heranwachsender Menschen ein. Die Fähigkeiten, dies hilfreich zu tun, sind in jedem Lehrer und jeder Lehrerin schon aufgrund ihrer Alltagserfahrung angelegt. Aber dieses vorhandene Repertoire bedarf der Vertiefung und praktischen Durcharbeitung mit Hilfe einer Didaktik, welche die grundlegenden Vermittlungssituationen des Unterrichts klar durchschaubar und damit handhabbar macht.

 Ebendies soll durch die zwölf, Grundformen des Lehrens‘ geschehen. Nur in aller Kürze: Aebli hält es zunächst für erforderlich, dass Lehrende die ‚Medien‘ kennenlernen, in denen Menschen eine Sache erfahren und ihre Erfahrungen an andere weitergeben können.

 Solche Medien sind das Wahrnehmen oder das Handeln oder die drei Formen des sprachlichen Kommunizierens, nämlich das Erzählen/Referieren, das Lesen und das Schreiben. Aebli hat nicht geruht, bis es ihm gelang, mit Hilfe der ‚Medientheorie‘, wie er sie in Band 2 der Denkpsychologie entwickelt hat, den Sprachaktivitäten den didaktisch notwendigen zentraleren Platz einzuräumen. Früher spielten diese nämlich in Aebli‘s Didaktik in der Tradition Piagets nur eine sekundäre Rolle. Aber blosse Kommunikation reicht nicht aus, um Unterricht zu verstehen. Deshalb werden in drei weiteren ‚Grundformen‘ die Inhalte des Unterrichts betrachtet. Wieder zielt Aebli auf das ihm Wesentliche. Er sieht es in drei möglichen gedanklichen Strukturen, die an sachgebundenen Schulinhalten gelernt werden können: Handlungsschemata, Operationen und Begriffe. Davon später noch mehr. In Aeblis Didaktik wird nochmals die Blickrichtung gewechselt. Den acht Formen, welche die Vermittlung in unterschiedlichen Medien und von Inhalten verschiedener Strukturen betreffen, werden vier weitere Grundformen hinzugefügt. In ihnen werden die Phasen des Lernprozesses betrachtet, nämlich, das problemgeleitete Aufbauen des neuen Könnens oder Wissens, sein Durcharbeiten, sein Üben und Wiederholen und seine Anwendung‘. Aebli versucht damit, Lehrern am Ende seines Werks das Ganze der unterrichtlichen Lehr-Lern-Prozess in ihrer unüberspringbaren, je nach Sache und Situation allerdings zu variierenden Systematik vor Augen zu führen. Es ist dies eine Art erneuerter ‚Formalstufenlehre‘ vom Standpunkt der modernen handlungstheoretischen Psychologie aus. Aebli hat öfter scheinbar überholten Themen eine neue, brisante Bedeutung gegeben.

 Mit den ‚Zwölf Grundformen des Lehrens‘ steht ein imponierendes Gebäude vor uns, das in der didaktischen Literatur an Stringenz und kaum ausschöpfbarer Reichhaltigkeit im Detail seinesgleichen sucht. Aebli selbst hat seine Letztfassung von 1983 mit einem Haus verglichen, das er nun von störenden Aus- und Umbauten befreit hätte. Wer es studierend und erprobend durchwandert, wird seine didaktische Kompetenz und Professionalität in unverwechselbarer Weise vertiefen können.

Die ‚innersten Gemächer‘ der ,Grundformen‘ bilden nämlich nach wie vor die schon in der ,Psychologischen Didaktik‘ angebahnten Teile. In ihnen geht es um den Aufbau von Handlungen, Operationen und Begriffen. Zudem spielt das in Aeblis Didaktik immer stärker hervortretende Bemühen eine Rolle, das Handeln der Schüler im Unterricht durch attraktive, deren Kräfte sogartig auf sich ziehende Probleme zu motivieren (und sie damit anzuregen, die Aufbauprozesse selbst in Angriff zu nehmen). In diesen Kapiteln fügen sich die sein Werk tragenden Leitlinien am unmittelbarsten zum spezifischen Profil der Aeblischen Didaktik zusammen. Es sind dies:

  • die Idee des Pragmatismus, dass alles geistige Leben im Tätigsein fundiert ist und insofern auch in der Schule die in der Lebenspraxis bewährten Tätigkeiten verlebendigt werden sollen;
  • die an der Piagetschen Entwicklungspsychologie geschulte, aber von Aebli pädagogisch-konstruktivistisch umgedeutete Herleitung des Lernens und Denkens der Schüler aus ihrem lebensgeschichtlich als primär betrachteten Handeln;
  • schliesslich die das Leben und Werk Hans Aeblis durchziehende ethische Grundvorstellung, dass Menschen durch ihr ordnungsstiftendes und zielbewusstes Handeln eine besondere Würde gewinnen.“

 

Stichwortartige Zusammenfassung:

Anfänge: Psychologische Didaktik, bei Jean Piaget
1959 1. Fassung der Allgemeinen Didaktik
1983 Grundformen des Lehrens
1987 Grundlagen des Lehrens

 

Geistige Quellen handlungstüchtig gemeisterter Alltag
  Lebenserfahrung und Tüchtigkeitsvorstellung

 

  1. Die Grundformen werden aus der Betrachtung von Unterricht gewonnen (nicht ausgehend von curricularen Ziel- und Inhaltsvorgaben; aber auch nicht von den Unterrichtseinheiten her!)
  1. Unterricht ist für Aebli die "Vermittlung geistigen Lebens".
    Die Lehrkraft greift mit jedem Unterrichtsakt in die Entwicklung heranwachsender Menschen ein.
  1. Die Fähigkeiten dazu sind schon im Alltagswissen der Lehrerinnen und Lehrer angelegt. Die Vertiefung dieses Wissens erfolgt mit Hilfe einer Didaktik.
  1. Lehrpersonen kennen die ‚Medien‘, durch die Menschen eine Sache erfahren und weitergeben können.

Solche Medien der Sacherfahrung und -vermittlung sind
– das Wahrnehmen oder Handeln (anschauen – vorzeigen)
– die drei Medien der sprachlichen Kommunikation (erzählen– lesen – schreiben)

Inhalt des Unterrichts ist der Aufbau
– einer Handlung   
– einer Operation                     
– eines Begriffs

In einem Lernprozess durchlaufen Lernende vier Phasen:
– Problemlösen
– Durcharbeiten
– Üben und Wiederholen
– Anwendung

 Aeblis Didaktik ist eine Synthese von wissenschaftlichen, pädagogischen und philosophischen Strömungen. Das Handeln der Schülerinnen und Schüler wird durch attraktive Probleme motiviert.

 Spezifisches Profil der Didaktik von Hans Aebli:

  • Idee des Pragmatismus
  • Herleitung des Denkens aus dem Handeln (Denken ist verinnerlichtes Tun)
  • ordnungsstiftendes, zielbewusstes Handeln verleiht Würde und Sinn
  • Kategorien des Schönen, des Wahren und des Guten sind Teil der Didaktik